Entwickler Yannick spricht über das Rapcon

|Know-how

Wie läuft die Entwicklung von Bikes wie dem Rapcon ab, und wodurch zeichnet sich die Geometrie des Mountainbikes aus? Zum Interview mit Entwickler Yannick!

Die Entstehungsgeschichte des Rapcon aus Entwicklersicht

Höherer Stack für eine entspannte Position im Steilen und einen besseren Angriffswinkel für den Hinterbau. Längere Kettenstreben stellen sicher, dass man stets Grip am Vorderrad hat, ohne dieses übermäßig belasten zu müssen. Sie sorgen außerdem für eine permanent zentrale und bewegungsbereite Position. Und ein flacher, aber nicht extremer Lenkwinkel für einen optimalen Mix aus Spurstabilität und Grip. Wer schon einmal mit einem SIMPLON Rapcon unterwegs war, weiß die optimal ausbalancierte Geometrie zu schätzen. 

Doch wie läuft die Entwicklung eines Bikes eigentlich ab? Im Interview spricht Entwickler Yannick, aus dem Werkzeugkasten. Er zeigt auf, welche Prozessschritte erforderlich sind und was die Geometrie des Rapcons auszeichnet. Außerdem spricht er über die Idee für das Video zum Rapcon und wagt einen Blick in die Zukunft.

Seit wann bist du bei SIMPLON, und was schätzt du an deinem Beruf?

Ich bin bereits seit 2017 bei SIMPLON. Mein Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich. Die Tätigkeit als Entwickler erlaubt es mir, kreativ zu sein und meine gestalterischen Fähigkeiten zu zeigen. Beim Rapcon Pmax war ich das erste Mal in die Entwicklung eines kompletten Bikes involviert. Mit der aktuellen Version des Rapcons ist uns ein weiteres Meisterstück gelungen, auf das wir sehr stolz sind.

Hast du aktuelle Trends bei der Entwicklung berücksichtigt? Wenn ja, welche waren das?

Trends sind immer zu berücksichtigen. Noch wichtiger ist es uns aber, dass wir selbst eine Pionier-Rolle einnehmen, denn so können wir uns von der Masse absetzen. Da unsere Entwicklungen mehrere Jahre dauern, ist es außerdem wichtig, neue Entwicklungen kritisch zu hinterfragen. Immerhin ist die Fahrradindustrie eine schnelllebige Branche, und was heute noch aktuell ist, kann morgen schon veraltet sein.

Wir berücksichtigen hier auch immer die Wünsche und Anforderungen unserer Community sowie unsere eigenen Intuitionen. Im Falle des Rapcon war es uns wichtig, ein Enduro Bike mit moderner, aber nicht zu extremer Geometrie auf die Reifen zu stellen. Eine Zeit lang schien es, dass längere Bikes grundsätzlich besser seien und dass auch der Reach deutlich wachsen müsse. Auch das Rapcon ist im Vergleich zum Vorgänger länger geworden, wir haben uns aber auf ein Maß beschränkt, das den Fahrer trotzdem bewegungsbereit in das Bike integriert. 

In Kombination mit den wachsenden Kettenstreben und der größenspezifischen Kinematik, ist das aktuelle Modell ein Vorreiter in Sachen ausgeglichenes Handling. Das ist unserer Meinung nach das, worauf es bei einem Enduro oder einem Trailbike ankommt. Die Fahrer haben das Fahrrad jederzeit unter Kontrolle und fühlen sich dadurch sicher.

Erzähl uns bitte, welche Schritte zum Entwicklungsprozess eines SIMPLON Bikes wie des Rapcons gehören!

Jedes Projekt startet mit der Zieldefinition. Sie dient als wichtige Orientierungshilfe während des gesamten Prozesses. Um ein Ziel festzulegen, stellen wir uns Fragen wie: Für welche Person konstruieren wir dieses Bike? Auf welchem Terrain wird das Fahrrad im Einsatz sein?

Das Ergebnis aus der Beantwortung der Fragen ist das Konzept für das Bike. Basierend darauf erfolgen Überlegungen zu den Anforderungen an die Geometrie und den Hinterbau des Fahrrades. 

Im nächsten Schritt starten die Designüberlegungen. In vielen Iterationen werden Vorstellungen in Sachen Optik, technische Vorgaben und weitere Ideen zusammengeführt und unterschiedlich kombiniert. Das am Computer entstandene Design wird im Anschluss mit den Lieferanten besprochen. Was folgt, sind weitere Inputs für die Fertigung und zusätzliche Details, die entsprechende Anpassungen mit sich ziehen.

Wenn das Design in der Theorie ideal funktioniert, wird ein 3D-gedruckter, komplett montierbarer Rahmen hergestellt. An diesem werden alle Komponenten verbaut, die in weiterer Folge auch am fertigen Rad verbaut werden sollen. Der Vorteil: So lassen sich Abstände besser einschätzen, und wir können auch das Design noch einmal überprüfen. Einzelne Teile des Rahmens werden meist schon während der Entwicklung gedruckt, um festzustellen, ob das Design wie geplant umgesetzt werden kann.

Im Anschluss geht es in den Formenbau. Nach zahlreichen Prüfstandtests der Prototypenrahmen folgt die Herstellung des ersten fahrbaren Prototyps. Dieser wird in weiterer Folge natürlich ebenfalls auf Herz und Nieren geprüft. Jedes einzelne Teil sowie das Fahrverhalten im jeweiligen Terrain werden überprüft. Änderungen, die sich in dieser Phase ergeben können, sind beispielsweise Anpassungen des Carbon-Layups oder der Form einzelner Teile. 

Erst wenn alle Fahrradkomponenten perfekt aufeinander abgestimmt sind, erfolgt abschließend die Produktion einer Kleinserie, um Prozesssicherheit zu garantieren.

Wann war der erste Prototyp in deinen Händen, bzw. wann war deine erste Fahrt? Und was für ein Gefühl war das?

Der erste fahrbare Prototyp kam im Dezember 2020 zustande. Draußen war es kalt, und die heimischen Trails waren bereits mit 15 Zentimeter Schnee bedeckt. Die erste Runde habe ich deshalb bei uns in der Montagehalle gedreht. Ich hatte sofort ein gutes Gefühl, weshalb ich mich trotz der schneereichen Verhältnisse ins Gelände wagte. Bei den Trails in unserer Gegend handelt es sich überwiegend um steile Wanderwege, die bereits im trockenen Zustand sehr anspruchsvoll sind. 

Am Rapcon hatte ich vom ersten Moment an ein sicheres Fahrgefühl. Das Bike verhielt sich ausgeglichen und gutmütig, sodass ich trotz des Schnees zu jeder Zeit die Kontrolle hatte.

Du willst einen ausführlichen Testbericht zum Rapcon lesen? Unser Mitarbeiter Jörg hat uns erzählt, wie es ihm bei seiner ersten Ausfahrt damit ergangen ist.

Nach welchen Kriterien werden Geometrie, Technik, Formen und Farben gewählt?

Bei der Geometrie ist es wichtig, dass sie zum jeweiligen Einsatzbereich passt. Wir legen außerdem großen Wert auf ein ausgeglichenes Fahrverhalten, da es das Selbstvertrauen der Fahrenden erhöht. Bei den technischen Funktionen achten wir darauf, dass sich diese harmonisch in das Design des Bikes integrieren.

Neben der Technik spielt natürlich auch die Optik eine wichtige Rolle. Denn: Man kann das technisch beste Bike bauen – wenn es optisch nicht überzeugt, wird es kaum jemand kaufen. Grundsätzlich gibt es einige Designregeln, an die man sich bei der Gestaltung halten kann. Im Endeffekt ist aber alles Geschmackssache und es gibt daher kein Richtig oder Falsch.
Eine spezielle Herausforderung ist die Auswahl der Farbe, da der Geschmack jedes Fahrers einzigartig ist. Bei SIMPLON setzen wir auf klassische Farben. Uns ist es immer wichtig, eher zeitlose Töne auszuwählen. Denn: Ein SIMPLON Bike ist eine kostenintensive Anschaffung und man hat es für eine lange Zeit. Wählt man eine auffällige Trendfarbe, so kann es sein, dass man sich bereits wenige Zeit später daran sattgesehen hat.

Wie viele Menschen sind in welchen Schritten an der Entwicklung beteiligt? 

Einige. Im Endeffekt die ganze Firma und die Lieferanten. Zu Beginn muss das Projekt angestoßen werden. Hier sind besonders die Entscheidungsträger involviert. Dann bekommen wir in der Entwicklung den Auftrag übermittelt. In diesem Bereich sind wir sechs Leute, die sich intensiv mit den Projekten befassen. Geht es zur Serienüberleitung, ist die Montage involviert, um alles für die Serie vorzubereiten. 

Wie lange dauert es von der Entwicklung bis zum fertigen Rad?

Von der Entscheidung, ein neues Bike zu entwickeln bis zu Kundenpräsentation vergehen meist rund zwei Jahre. 

Wie wird getestet, ob das Bike auch „gut“ ist bzw. den Ansprüchen gerecht wird?

Zunächst wird der Rahmen am Prüfstand getestet, um sicherzustellen, dass er auch hält und dass man beim Fahren kein gesundheitliches Risiko eingeht. Hier arbeiten wir auch mit dem EFBE-Prüfinstitut zusammen, um unsere Rahmen auf ihre Haltbarkeit standardisiert zu testen. 

Doch Prüfstandtests alleine reichen nicht aus. Sobald wir den ersten fahrbaren Rahmen bekommen, absolvieren wir intensive Testfahrten im jeweiligen Einsatzbereich. Nur so können wir eventuelle Schwachpunkte identifizieren und das Fahrverhalten optimieren. Durch Anpassungen des Layups kann beispielsweise die Steifigkeit einzelner Teile erhöht oder verringert werden. 

Es kommt auch vor, dass man während der Fahrt merkt, dass die Schuhe immerzu an der Kettenstrebe reiben. In diesem Fall können die Form oder der Verlauf der Kettenstrebe optimiert werden, damit der Kunde am Ende das perfekte Rad erhält.

Wer testet außer dir noch das Bike?

Außer mir zählen das Entwicklungsteam sowie spezielle Fahrer für den jeweiligen Einsatzbereich zum Testgremium von SIMPLON.

Wie schafft ihr es, dass sich eure Räder von der Masse abheben?

Wir versuchen, bei jedem Bike Features anzubieten, die am Markt einzigartig sind. Das können spezielle Ausstattungen, das Gewicht oder das Fahrverhalten sein. Bei SIMPLON wird das Thema Fahrrad tagtäglich gelebt, und genau das ist es, was uns ausmacht. Wir sind erst zufrieden, wenn wir die aus unserer Sicht beste Lösung gefunden haben.
 

Welche Geometrie habt ihr für das Bike ausgewählt, und was waren die Gründe dafür?

In den letzten Jahren haben sich die Geometrien von Fahrrädern stark weiterentwickelt. Der Trend ging hin zu immer längeren Bikes, die zudem um einen Grad oder besser gleich zwei Grad flacher sind. 

Bei der Entwicklung des Rapcons ging es uns jedoch nicht darum, das längste Modell am Markt zu bauen. Wir haben das Bike im Verlauf der Entwicklung sogar kürzer gemacht als geplant, um die von uns gewünschten Fahreigenschaften zu erreichen. Außerdem stellten wir uns die Frage: Wie können wir ein Bike besser machen, ohne in die Extreme zu gehen? Das Rapcon sollte nämlich in jeder Fahrsituation punkten, einfach zu handeln sein und den Fahrern ideale Sicherheit bieten. 

Um das zu erreichen, legten wir das Hauptaugenmerk auf die Balance. Das Ergebnis daraus: verbesserte Laufruhe, mehr Grip, eine entspanntere bewegungsbereitere Fahrposition sowie mehr Sicherheit. 

Das zentrale Merkmal für eine ausbalancierte Geometrie ist die größenspezifische und moderat bemessene Kettenstrebenlänge (XI-Geometry). Diese ermöglicht eine optimale Radlastverteilung bei jeder Rahmengröße und öffnet die Tür für weitere Stellschrauben. 

Durch die etwas längeren Kettenstreben konnten wir den Stack erhöhen, ohne den Druck am Vorderrad zu verlieren, der maßgeblich für den Grip am Vorderrad verantwortlich ist. Dies wirkt sich wiederum positiv auf das Fahrverhalten im steilen Gelände aus, das durch die entspanntere Position am Bike Sicherheit vermittelt und Kraft spart. 

Durch den moderat langen Reach bleibt man jederzeit die Kontrolle und kann durch das agile Fahrverhalten auf alle Anforderungen des Trails rasch reagieren. Die kurzen Sitzrohre geben dem Biker außerdem genügend Spielraum für jegliche Fahrmanöver.

Kürzlich erschien ein Video über das Rapcon. Wie entstand die Idee dafür?

Das Projekt „Ein Rapcon ohne Motor entwickeln“ stand schon lange im Raum. Wir haben uns intensiv mit der Frage beschäftigt, ob sich Bikes ohne Motor überhaupt noch verkaufen lassen würden. Es wurde auch darüber gesprochen, sich nur noch auf E-Bikes zu konzentrieren. 

Im Video soll diese Situation als Albtraum-Szenario dargestellt werden, das sich letztlich aber noch zum Guten wendet. Ich persönlich wechsle gerne zwischen natürlichem und elektronischem Antrieb und bin froh, dass wir bei SIMPLON beide Varianten im Programm haben.

Kannst du dir vorstellen, dass es bald nur mehr Bikes mit Motor geben könnte?

Das wird die Zukunft zeigen. Die Fahrradbranche ist stetig im Wandel und auch immer wieder für Überraschungen gut. Wir dürfen also gespannt sein, wie sich der Markt entwickeln wird.

Du willst wissen, was unser SIMPLON CEO Stefan Vollbach über die Zukunft der Marke zu sagen hat? Im letzten News-Update spricht er darüber, in welche Richtung es gehen wird.

Auf die Plätze, fertig, Rapcon konfigurieren!

Jetzt bist du an der Reihe: Im Konfigurator stellst du dir das Rapcon ganz nach deinen individuellen Vorlieben zusammen.

Empfehlungen

© Marcel Hilger

7 Tipps gegen den Hungerast im Radsport

Schwindel, Übelkeit, Kraftlosigkeit – Symptome, die Sportler erleben, wenn der Hungerast eintritt. Wie du dem „Mann mit dem Hammer“ entgehst, erfährst du jetzt!

Radfahren im Regen: Tipps und Tricks

Ob Tipps zur Ausrüstung oder wichtige Verhaltensregeln: Wir bei Simplon wissen, was es beim Radfahren im Regen zu beachten gilt. Mehr dazu im Magazin!

Die perfekte Tourenplanung im Detail

Wie wählt man eine passende Tour aus? Und welche Hilfsmittel gibt’s zur Orientierung? Erfahre mehr in Teil 2 der dreiteiligen Serie zur perfekten Tourenplanung!
© Simplon Fahrrad GmbH

Mittelmotor vs. Hinterradmotor: die Unterschiede

Erfahre im Magazin, wie sich Mittelmotor und Hinterradmotor voneinander unterscheiden und welcher E-Bike-Antrieb am besten zu deinem Fahrstil passt.