Exklusiv-Interview mit dem Team Lotto Kern-Haus
Was macht ein Profi-Rennrad-Team in Zeiten wie diesen? Was passierte nach dem Lockdown? Teamchef Florian Monreal gibt die Antworten!
Was macht ein Profi-Rennrad-Team in Zeiten wie diesen? Was passierte nach dem Lockdown? Teamchef Florian Monreal gibt die Antworten!
Joshua Huppertz, 25 Jahre, 1,74 m groß, einer der erfahrensten Fahrer im Team Lotto Kern-Haus. Jan Kuhn, 20 Jahre, 1,90 m groß, seit 2019 dabei und einer der Jüngsten der Gruppe. Zwei Fahrer, zwei Persönlichkeiten, zwei Leistungsträger, ein Ziel: mit voller Motivation in die Rennrad-Saison 2020 zu starten.
Doch dann kam der Lockdown. Alle Rennen fielen ins Wasser. Die Saison ist abgehakt. Wir haben uns gefragt: Was macht ein Profi-Rennrad-Team in einer solchen Zeit? Wie gingen die Fahrer mit der Ausnahmesituation um? Wie sah ihr Training aus? Florian Monreal, Teamchef, steht uns Rede und Antwort.
Seit dem Trainingslager hat sich einiges bei uns verändert, wir sind danach mit Topform nach Rhodos gereist und haben dort die ersten Erfolge eingefahren. Nach der Rückreise Anfang März kam dann für uns alle der Lockdown, und alle Rennen wurden abgesagt. Das war ein harter Schlag für uns, da die Jungs sehr fit waren und heiß auf die nächsten Rennen.
Die Jungs haben bis dato alle fleißig weiter trainiert und sich trotz anfänglich geringer Aussichten auf einen schnellen Wiedereinstieg fit gehalten. Selbstverständlich wurde das Training angepasst. Man ist nicht mehr das volle Intervallprogramm gefahren, da auch keine Rennen in Aussicht waren.
Wir beziehen Anfang Juli ein Trainingslager im Allgäu für 10 Tage. Hier kommt die gesamte Mannschaft wieder zusammen, und wir trainieren für den Wiedereinstieg in die Rennsaison.
Ich habe einen abgestimmten Trainingsplan für die Corona-Zeit, mit längeren Einheiten, um weiter an der Grundlagenausdauer zu arbeiten. Und jetzt, wo die ersten Rennen in Sicht sind, fange ich wieder mit Intervallen an.
Wir starten mit der Czech Cycling Tour, die dieses Jahr absolut top-besetzt ist. Mit 10 WT-Teams. Das wird ein sehr sportlicher Einstieg für uns alle. Darauf freuen wir uns sehr.
Das oberste Ziel in dieser Corona-Zeit ist es, das Team so zu führen, dass wir nächstes Jahr weiter in der KT-Klasse mit dabei sind. Es ist für alle (Sponsoren und Team) keine einfache Zeit gewesen, aber wir sehen das Licht am Ende des Tunnels und wollen natürlich bei den Rennen versuchen, um den Sieg mitzufahren. Falls es noch eine Rad-Bundesliga in Deutschland geben wird, wollen wir hier natürlich unseren Titel verteidigen.
Du möchtest mehr über das Team Lotto Kern-Haus erfahren? Wir sind dem Team Anfang März ins Trainingscamp auf Mallorca gefolgt und haben die zwei jungen Athleten Joshua Huppertz und Jan Kuhn ausführlich befragt … zu ihrer Motivation, ihren Vorbildern, zum Trainingslager und zu Simplon. Hier bekommst du einen ganz persönlichen Einblick ins Lotto Kern-Haus Team!
Joshua Huppertz: Wir sind heuer deutlich besser aufgestellt. Die Mannschaft ist insgesamt noch stärker geworden. Für mich steht fest, dass ich an meine Erfolge anknüpfen möchte, und dass ich versuchen werde, sie auszubauen. Dafür habe ich hart trainiert. Meine Leistungswerte stimmen soweit, ich bin sehr zufrieden. Mal schauen, was sich so im Rennen ergibt. Ich denke aber, solange die Mannschaft erfolgreich ist und wir zufrieden sein können, bei den Rennen, ist alles gut. Ob ich persönliche Erfolge erzielen kann oder nicht, ist dann Nebensache.
Jan Kuhn: Für mich ist grundsätzlich wichtig, den Spaß an der Sache nicht zu verlieren. Sollte ich merken, dass ich mich quälen muss, würde ich aufhören. Mich motiviert eher, dass ich meine Leidenschaft für das Radfahren so ausüben kann. Wenn ich mich gut fühle und hart trainieren kann, macht mir das am meisten Spaß.
Joshua Huppertz: Ich selbst brauche nicht so viel Motivation fürs Training. Da bin ich ehrgeizig genug und auch ein wenig verrückt, würde ich sagen. Ich fahre auch gerne länger, als der Trainer es vorgibt, das gibt mir ein besseres Gefühl.
Jan Kuhn: Vor Genthin war ich am meisten aufgeregt. Weil es wie ein Rennen der Wahrheit ist. Wenn man an diesem Tag nicht zu 100 Prozent fit ist, merkt man das sofort. Und weil ich ja quasi der Jüngste war und auch dachte, der Schwächste, musste ich von Anfang an immer am Limit fahren. Da war ich auch schon ein paar Tage vorher sehr aufgeregt.
Und ich habe mit meinem Trainer geredet, auch schon vor der Saison, weil ich teilweise abends nicht gut einschlafen konnte. Da haben wir beschlossen, dass wir von nun an routinemäßig einen Bodyscan machen. Nicht die üblichen 30 Minuten, sondern die kurze Version, die dauert in etwa zwölf Minuten. Danach geht man noch mal in sich und nimmt die eigene Stärke intensiv wahr. Da fühlt man sich auch gleich besser und ist beruhigter.
Joshua Huppertz: Das Simplon Pride ist super! Ich bin bisher noch kein besseres Rennrad gefahren. Das hört sich jetzt an wie eine Floskel. Aber es ist tatsächlich so. Das Rad ist steif ohne Ende – und das über die gesamte Saison hinweg.
Das ganze Set-up ist sehr aerodynamisch. Da haben wir keinen Nachteil gegenüber anderen Marken oder Teams. Das merkt man bei einer Abfahrt, wenn man das Rad einfach mal rollen lässt. Man ist immer den Tick schneller als andere.
Das mit den Scheibenbremsen war auch eine super Umstellung, die sich auf jeden Fall bezahlt macht. Da bin ich durchweg positiv überrascht. Ich kann nur sagen: Top-Marke, fahre ich gerne! Und hoffentlich bleibt das so, dass wir Simplon weiterhin fahren können.
Jan Kuhn: Ich bin vorher Scheibenbremsen nur auf einem Crosser oder Mountainbike gefahren. Und empfand das auch immer als super System. Ich dachte aber, es ist einfach nur schwerer und unnötig. Aber als wir beim ersten Teamtreffen 2019 die neuen Räder bekommen haben, da war eher so Schmuddelwetter, also neblig, Regen – und wir sind mit dem Pride die Abfahrten runter, als wenn es trocken gewesen wäre. Es ist sehr schnell. Und ich finde, es ist ein super Kompromiss, dass man 28er-Reifen fahren kann, denn dann wird’s komfortabel.
Jan Kuhn: Das hört sich jetzt vielleicht kitschig an, aber mein Vorbild ist mein Vater. Weil ich finde, dass er – besonders was sein Berufsleben angeht – eine wahnsinnig hohe Disziplin hatte und noch immer hat. Das bewundere ich. Wenn ich das für mich auch nur annähernd auf den Radsport übertragen könnte oder auf alle Bereiche in meinem Leben, dann könnte ich sehr weit kommen.
Joshua Huppertz: Als Kind fand ich immer Jan Ulrich und Lance Armstrong gut. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mit meinem Vater vor dem Fernseher saß und mitgefiebert habe. Nun bin ich ein großer Fan von Greg Van Avermaet. Ich finde seine Fahrweise super. Ich kann mich damit gut identifizieren. Ich fahre auch gerne richtige Radrennen und zwar ziemlich aggressiv, und das verkörpert er auch, eins zu eins. Und er hat einfach Style am Rad. Da passt das Gesamtpaket.
Joshua Huppertz: Pain is temporary, and glory is forever. Das bedeutet, dass der Schmerz vergeht und der Erfolg bestehen bleibt. Und so ist es im Radsport auch. Man muss für einen Sieg oder ein gutes Ergebnis den Schmerz überwinden. Und wenn der überwunden ist, kann man mit guten Ergebnissen oder Siegen rechnen. Der Sieg bleibt für immer stehen. Das muss man sich jedes Mal ins Gedächtnis rufen.
Jan Kuhn: Ich bin detailverliebt, eigentlich in jeder Hinsicht. Egal, ob es um das Material geht oder das Training. Ich versuche immer, alles ganz genau und ganzheitlich zu betrachten. Und ich achte sehr darauf, was mir guttut. Wenn mir jemand sagt, das etwas Quatsch ist, dann überlege ich vielleicht noch mal, aber wenn ich merke, dass etwas gut funktioniert, lasse ich mich auch nicht beirren. Zielstrebig und ehrgeizig bin ich, würde ich auch noch sagen. Ich versuche, immer alles zu erfüllen, was mir mein Trainer sagt – oder meistens, es noch besser zu machen oder noch schneller zu fahren.
Joshua Huppertz: Auf den Sport bezogen, kann man auf jeden Fall schon mal Ehrgeiz nennen und Zielfokussierung. Dazu setze ich mich mit meinem Trainer vor der Saison hin, lege die Ziele fest, und dann wird darauf hingearbeitet. Hier spielt Ehrgeiz natürlich auch eine große Rolle. Auf mein normales Leben kann man das nicht übertragen, da kann mein Vater sicher ein Lied davon singen. Aber Ehrgeiz ist so der wichtigste und größte Punkt, der mich ausmacht.